Arzneimittelengpässe: neue Rahmenbedingungen für das Lagermanagement

12. Sept. 2023 Audit

Für die Verfügbarkeit von Arzneimitteln ist die Arzneimittelbevorratung ein zentraler Mechanismus. Die Reform des EU-Arzneimittelrechts und das Lieferengpassbekämpfungsgesetz (ALBVVG) für Deutschland bieten neue Rahmenbedingungen, um die seit längerem von DEKRA beobachten Mängel in der Pharmalogistik zu reduzieren.

Für die zertifizierten Pharmagroßhändler wird es zur ungewollten Routine, Lieferengpässe bei wichtigen Arzneimitteln zu managen. Aufwändig sind die Recherchen nach Ersatzpräparaten, neuen Beschaffungswegen sowie Qualifizierungsprogramme für Lieferanten, interne Schulungen, das Monitoring der Lagerbestände oder die Erstellung der neuen Forecasts.
Alarmierend war der Winter 2022/2023, als über 400 Arzneien nicht lieferbar waren, darunter Antibiotika, Insuline, Blutverdünner, Fiebersäften und onkologische Medikamente. Meist sind patenfreie Medikamente von Engpässen in der bedarfsgerechten Versorgung betroffen, die hauptsächlich in Asien hergestellt werden. Die wirkstoffgleichen Kopien (Generika) decken mittlerweile rund 80 Prozent des Arzneimittelbedarfs in Deutschland. Rohstoffknappheiten oder geopolitische Risiken in den Produktionsländern beeinflussen daher direkt die internationale Verfügbarkeit.
Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen: Folgen für die Lagerung
Um die Versorgung auch bei saisonalen Mehrbedarfen sicherzustellen und kritische Engpässe zu vermeiden, hat das Bundeskabinett am 05.04.2023 das Lieferengpassbekämpfungsgesetz (ALBVVG) für Deutschland beschlossen. Vorgeschrieben wird u.a. eine verbindliche, dreimonatige Lagerhaltung von rabattierten Arzneimitteln. Außerdem müssen laut ALBVVG insbesondere Antibiotika mit Wirkstoffproduktion im Europäischen Wirtschaftsraum bei Ausschreibungen berücksichtigt werden.
Für die bedarfsgerechte Versorgung mit Arzneimitteln ist die Bevorratung ein zentraler Mechanismus. Hierzu kommen größere Medikamentenlager ins Gespräch, die als Pufferlager geplant oder bereits realisiert werden. Bei anhaltenden Lieferengpässen werden Patienten allerdings auch vermehrt auf Online-Direktlieferungen aus EU-Staaten mit vergleichbaren Sicherheitsstandards ausweichen. Mehr Anbieter und Zwischenstufen beim Verladen, Umschlag sowie beim Transport (inkl. Luftfracht) in der Lieferkette bergen jedoch die Gefahr, die nach wie vor bestehenden Mängel in der Pharmalogistik zu verstärken.
Trotz GDP: Schwachstellen in der Pharmalogistik
Den Rahmen für das Qualitätsmanagement und die stringenten Kontrollen der Arzneimittellager und Lieferketten gibt die seit 2013 bestehende die EU-Leitlinien Good Distribution Practice (GDP) vor. Sie betrifft alle Groß-, Zwischenhändler und Transporteure. Ändert sich die Beschaffungspraxis mit neuen Lieferketten, wird das auch Auswirkungen auf die Einhaltung der GDP-Anforderungen haben. Grundsätzlich gilt: je länger die Transportstrecke und höher die Anzahl der Zwischenstufen, desto höher sind die Risiken einer unsachgemäßen Sicherung, eines nachlässigen Temperatur-Mapping oder einer lückenhaften Rückverfolgung.
In Audits ist häufig zu beobachten, dass die erforderlichen Lagerbedingungen während des gesamten Transportwegs durch fehlenden Schutz vor thermischen Einflüssen nicht eingehalten werden. Hinzu kommen die vielfach registrierten Baumängel, die bei größeren Pufferlagern umso dringlicher werden:
  • Temperaturfühler, Kühl- und Klimatechnik nicht adäquat gewartet oder dimensioniert
  • Fehlende Überwachung von thermischen Einflüssen für kühlpflichtige Arzneimitteln
  • Falsche Leuchttechnik, direkte Sonneneinstrahlung, kein Schutz vor Glasbruch
  • Zu hohe Luftfeuchtigkeit, keine oder mangelhafte Schädlingsbekämpfung
  • Fehlende Belüftung, Hitzestau insbesondere unter dem Hallendach
  • Fehlendes Notfallmanagement, z. B bei Ausfall eines Kälte- und Wärmeaggregats
  • Keine Temperaturlogger oder keine kalibrierten Temperaturlogger
Vorteile größerer Arzneimittellager
Mit der Reform des EU-Arzneimittelrechts zur Behebung von Arzneimittelengpässen und Gewährleistung der Versorgungssicherheit sollen auch Schwachstellen in der Lieferkette bewertet sowie konkrete Maßnahmen für Lieferkette empfohlen werden. Steigen die Lagermengen aufgrund der neuen Auflagen oder werden größere Pufferlager eingerichtet, können insbesondere drei Faktoren das GDP konforme Lagermanagement unterstützen:
Rechtlicher Rahmen:
  • Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln, 24.5.2023
  • Vorschlag der EU-Kommission einer Arzneimittelreform für leichter zugängliche, erschwinglichere und innovativere Arzneimittel, 26.4.2023
  • Leitlinien für die gute Vertriebspraxis von Humanarzneimitteln
    (Good Distribution Practice of Medicinal Products for Human Use, GDP), 05.11.2013