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Umweltaussagen und Kompensation von Treibhausgasen im Spannungsfeld von Green Claims Directive, Empowering Consumers Directive und ISO-Normen

18. Juli 2025 Nachhaltigkeit

In der Unternehmenskommunikation gewinnen klimabezogene Aussagen zunehmend an Bedeutung. Begriffe wie „klimaneutral“, „CO₂-kompensiert“ oder „emissionsfrei“ begegnen Verbrauchern regelmäßig in der Werbung und beeinflussen deren Kaufverhalten. Doch was auf den ersten Blick positiv wirkt, birgt Risiken: Vage oder unbelegte Aussagen können zu Irreführung führen, Greenwashing-Vorwürfe nach sich ziehen und letztlich den Marktzugang gefährden.

Die Europäische Union reagiert mit zwei zentralen Gesetzesinitiativen auf diese Entwicklung: der Empowering Consumers Directive (EmpCo-RL) und der Green Claims Directive (GCD). Beide setzen neue Maßstäbe in der Umweltkommunikation. Unternehmen sind künftig verpflichtet, ihre Aussagen wissenschaftlich zu belegen und nachvollziehbar zu dokumentieren. Die GCD sieht explizit eine externe Verifizierung durch unabhängige Dritte vor, während die EmpCo-RL vor allem verbindliche Transparenz- und Belegpflichten schafft. In der Praxis führt dies häufig ebenfalls zur Einbindung externer Prüfer, um rechtssichere Aussagen zu gewährleisten. Dabei spielt die Orientierung an internationalen Standards – insbesondere an der ISO-14060-Normenreihe – eine Schlüsselrolle.
Aktuell ist jedoch zu beachten, dass die GCD aufgrund politischer Bedenken, noch im Juni 2025 von der EU-Kommission ausgesetzt wurde. Ein endgültiger Verabschiedungszeitraum ist derzeit offen, womit die GCD momentan nicht rechtsverbindlich ist. Unternehmen müssen sich daher vorerst primär an die EmpCo-RL und bestehende Verbraucherrechtsregelungen halten.
Parallel dazu rückt mit dem Pariser Klimaschutzabkommen ein globaler Rahmen in den Fokus, der Unternehmen zur aktiven Emissionsreduktion und Kompensation verpflichtet. Artikel 6 des Abkommens fördert die internationale Zusammenarbeit zur Emissionsminderung, etwa durch handelbare Emissionsgutschriften (Internationally Transferred Mitigation Outcomes, ITMOs).
Gleichzeitig wächst das Bewusstsein für soziale Nachhaltigkeit. In diesem Kontext etabliert sich ein neuer Begriff: Social Washing – das Pendant zum Greenwashing in sozialen Fragen. Damit verbunden ist die wachsende Bedeutung von Compliance-Strukturen und Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette, etwa im Rahmen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) und der geplanten EU-Richtlinie zur unternehmerischen Nachhaltigkeitspflicht (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD).

Begriffe und Differenzierung von Klimaclaims

Der Begriff „Klimaclaim“ bezeichnet jede Form von Aussage, Darstellung oder Werbebotschaft mit Bezug auf die Klima- und Treibhausgaswirkungen eines Produkts, einer Dienstleistung oder einer Organisation. Aufgrund der breiten Interpretierbarkeit solcher Aussagen ist eine klare begriffliche Differenzierung notwendig:
    Beschränkt sich ausschließlich auf Kohlendioxidemissionen. Diese Aussage basiert zumeist auf der bilanziellen CO2-Neutralität und damit darauf, dass diese durch die Kompensation von Klimaschutzprojekten erreicht wird. Andere Treibhausgase bleiben unberücksichtigt.
    Wichtig ist: Solche Aussagen müssen stets präzise, quantifiziert, zeitlich definiert und auf wissenschaftlich nachvollziehbaren Grundlagen beruhen.
    Zudem sollten Unternehmen potenzielle Reputationsrisiken nicht unterschätzen: Konsumenten reagieren zunehmend sensibel auf unbelegte Klimaaussagen. Der Vorwurf des Greenwashings – oder im sozialen Bereich des Social Washing – kann nachhaltigen Schaden für Marke und Marktposition bedeuten.

    Regulatorische Entwicklungen: Empowering Consumers Directive und Green Claims Directive

    Die beiden neuen EU-Richtlinien schaffen einen verbindlichen Rahmen für klimabezogene Aussagen im unternehmerischen Kontext:
    • Empowering Consumers Directive (EmpCo-RL): In Kraft seit März 2024, Umsetzungsfrist bis 2026. Diese Richtlinie ergänzt das EU-Verbraucherrecht (insbesondere die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) um Nachhaltigkeitsaspekte.
    • Green Claims Directive (GCD): Noch nicht endgültig verabschiedet. Ziel ist die Harmonisierung freiwilliger Umweltaussagen in der EU durch strenge Prüfpflichten.

      Hinweis: Wichtig zu beachten ist, dass die zur GCD geplanten weiteren Verhandlungen und die Veröffentlichung des Rechtsakts verschoben wurden. Ein neuer Zeitplan ist noch nicht festgelegt. Somit sind die verbindlichen Vorgaben der GCD vorerst nicht anwendbar.

    Kerninhalte beider Richtlinien:

    • Verbot pauschaler Aussagen wie "klimaneutral" ohne methodischen Nachweis
    • Pflicht zur Offenlegung von Systemgrenzen, Datenquellen und Bilanzierungsmethoden
    • Verbot der Nutzung nicht zertifizierter Nachhaltigkeitssiegel
    • Verpflichtende Validierung von Claims durch unabhängige, akkreditierte Stellen (Ex-ante-Prüfung)
    Dabei gelten diese Vorgaben nicht nur für Produkte oder Dienstleistungen, sondern auch für organisationale Aussagen, z. B. "Unser Unternehmen ist klimaneutral" oder "Unsere Standorte sind emissionsfrei". Entsprechend sind ganzheitliche Strategien notwendig, die neben dem Carbon Footprint eines Produkts auch Scope-1 bis -3 Emissionen von Organisationen berücksichtigen.

    Bedeutung internationaler Standards (ISO und GHG Protocol)

    Die ISO-Standards bieten bewährte, international anerkannte Rahmenwerke für die Entwicklung, Umsetzung und Kommunikation glaubwürdiger Klimastrategien. Sie liefern definitorische Klarheit, methodische Tiefe und Vergleichbarkeit über Landesgrenzen hinweg.
    Zentrale Normen:
    • ISO 14064-1: THG-Inventare für Organisationen
    • ISO 14064-2: Bilanzierung von Minderungsprojekten (z. B. Insetting)
    • ISO 14064-3: Verifizierung von THG-Erklärungen
    • ISO 14067: Product Carbon Footprint
    • ISO 14068-1: Weg zur Treibhausgasneutralität (Produkte, Organisationen)
    • ISO 14083: THG-Bilanzierung in Logistik und Mobilität (Scope 3)
    Erwähnenswert ist zudem das GHG Protocol, das sich als international anerkannter Standard in der Unternehmenspraxis etabliert hat:
    • GHG Protocol Corporate Standard (für Organisationen)
    • GHG Protocol Product Standard (Produkte)
    • GHG Protocol Scope 3 Standard
    Diese Standards ermöglichen es Unternehmen, ihre Aussagen methodisch sauber und regulatorisch konform aufzubauen. Besonders die ISO 14068-1 hebt sich durch ihren hierarchischen Ansatz (Vermeiden, Reduzieren, Kompensieren) und ihre Anforderungen an Removals hervor. Ein strukturierter Vergleich der ISO- und GHG-Rahmenwerke hilft Unternehmen, je nach Markt- und Stakeholderstruktur den passenden Standard zu wählen.

    Kompensation als notwendiger Bestandteil globaler Klimastrategien

    Das Pariser Klimaschutzabkommen (2015) bildet den internationalen Referenzrahmen für Klimaschutzmaßnahmen. Sein zentrales Ziel: die Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter 2°C, idealerweise 1,5°C. Dafür muss die globale Emissionskurve schnell und dauerhaft sinken.
    Die Realität: Viele Emissionen lassen sich – trotz technischer Fortschritte – kurzfristig nicht vermeiden. Gerade in Bereichen wie Industrie, Landwirtschaft oder Mobilität bestehen physikalische oder wirtschaftliche Grenzen. In solchen Fällen wird die Kompensation nicht zur Alternative, sondern zur Voraussetzung, um Klimaziele zu erreichen.
    Artikel 6 des Pariser Abkommens regelt die Nutzung internationaler marktbasierter Mechanismen, etwa durch den Transfer von "Internationally Transferred Mitigation Outcomes" (ITMOs). Auch im freiwilligen Markt gewinnen sog. "Contribution Claims" an Bedeutung.
    Qualitätsmerkmale hochwertiger Kompensationsprojekte:
    • Zusätzlichkeit
    • Keine Doppelzählung
    • Transparenz & Nachvollziehbarkeit
    • Verifizierung durch anerkannte Standards (z. B. VCS, Gold Standard)
    • Beitrag zu den UN-Nachhaltigkeitszielen (SDGs)
    • Langfristige Wirkung (Permanenz)
    Hinweis

    Verifizierung und externe Prüfung

    Sowohl die GCD als auch die ISO 14064-3 legen Anforderungen an die unabhängige Prüfung klimabezogener Aussagen fest. Ziel ist es, die Glaubwürdigkeit, Genauigkeit und Konsistenz der Angaben sicherzustellen.
    Die GCD schreibt eine externe Verifizierung durch akkreditierte Dritte verbindlich vor, um eine objektive Beurteilung von Umweltaussagen zu gewährleisten.
    Hinweis
    Die ISO 14064-3 legt ebenfalls ein strukturiertes Verfahren für die Verifizierung und Validierung von Treibhausgasangaben fest. Zwar fordert die Norm nicht explizit eine externe Prüfung, jedoch betont sie die Unabhängigkeit, Transparenz und methodische Nachvollziehbarkeit der Verifizierung. In der Praxis erfolgt diese daher typischerweise durch externe, akkreditierte Prüforganisationen, um Interessenkonflikte zu vermeiden und regulatorische Anforderungen zu erfüllen.
    Vorgaben für die Verifizierung:
    • Einsatz akkreditierter Prüfstellen, namentlich nach ISO/IEC 17029 oder 17065
    • Dokumentierte Methodik und transparente Datenlage
    • Prüfung der Systemgrenzen, Bilanzierungsgrundlagen, Emissionsfaktoren
    • Validierung des THG-Neutralitätspfades gemäß ISO 14068-1
    Diese Anforderungen gelten unabhängig davon, ob ein Unternehmen produkt-, standort- oder organisationsbezogene Aussagen tätigt.
    Hinweis: Anforderungen an glaubwürdige Klimaaussagen

    ESG-Berichterstattung und Governance-Verankerung

    Mit Inkrafttreten der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sind viele Unternehmen in der EU verpflichtet, ihre Klimastrategien, THG-Emissionen und Ziele umfassend offenzulegen. Der dazugehörige ESRS E1 Standard verpflichtet zur Berichterstattung über:
    • Absolute THG-Emissionen (Scope 1–3)
    • THG-Reduktionsziele
    • Strategien zur Emissionsvermeidung und -kompensation
    • Klimabezogene Risiken und Chancen
    Klimaclaims sollten daher eng mit der ESG-Strategie verknüpft und in der Unternehmensführung (Governance) verankert werden. Dazu gehören:
    • Einrichtung von Klimagremien auf Vorstandsebene
    • Interne Kontrollsysteme für Nachhaltigkeitsaussagen
    • Schnittstellen zu Compliance und Risiko-Management
    Hinweis: Internationale Regelwerke und rechtliche Folgen bei Klimaclaims

    Fazit und Ausblick

    Die steigenden regulatorischen Anforderungen an Umwelt- und Klimaaussagen markieren einen Paradigmenwechsel in der Nachhaltigkeitskommunikation. Unternehmen sind gefordert, ihre Aussagen fundiert, überprüfbar und transparent zu gestalten. Eine strategische Orientierung an internationalen Normen und eine frühzeitige Einbindung externer Prüfer werden zum Wettbewerbsvorteil.
    Die aktuelle Aussetzung der GCD bedeutet jedoch keine Entwarnung, sondern verschiebt nur den Zeitpunkt verbindlicher Regulierung. Unternehmen sollten die Entwicklungen weiterhin genau beobachten und ihre Klimakommunikation nach den bestehenden Vorgaben der EmpCo-RL sowie internationalen Standards ausrichten.
    Zugleich zeigt sich: Nachhaltigkeitskommunikation umfasst mehr als Umweltfragen. Aussagen zu sozialen Aspekten wie Menschenrechten, Arbeitsbedingungen oder Diversität rücken stärker in den Fokus – und mit ihnen das Risiko des Social Washing. Wer hier falsche Versprechungen macht, riskiert nicht nur Imageschäden, sondern künftig auch rechtliche Konsequenzen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Compliance-Strategie, die Umwelt- und Sozialaspekte gleichermaßen berücksichtigt und in Governance-Strukturen verankert.
    Unternehmen müssen daher ganzheitlich handeln:
    • Nachhaltigkeitsstrategie intern verankern (Governance)
    • Emissions- und Wirkungsdaten systematisch erfassen
    • Umwelt- und Sozialclaims durch Standards und Verifizierung absichern
    • Lieferketten transparent gestalten und Sorgfaltspflichten erfüllen
    Darüber hinaus sollten Unternehmen die Einbindung externer Konformitätsbewertungsstellen trotz der aktuellen GCD-Aussetzung als strategischen Vorteil sehen, um Vertrauen bei Kunden, Investoren und Regulatoren zu stärken. Eine flexible Compliance- und Kommunikationsstrategie ermöglicht es, kurzfristig auf künftige regulatorische Anforderungen zu reagieren.
    Nur wer auf dieser Basis kommuniziert, kann den Erwartungen von Kunden, Märkten und Aufsichtsbehörden gerecht werden – heute und in Zukunft.
    Wenn Sie weitere Informationen wünschen oder Fragen haben, dann kontaktieren Sie uns!