Sicherheit in der Pharmalogistik

12. Mai 2020 Audit

Zuverlässig hohe Qualität im Arzneimittelhandel

Seit 2013 gilt die GDP-Richtlinie für eine gute Vertriebspraxis von Arzneimitteln. Niedergelassenen Apotheken ist der überwachte Vertriebsweg ein wichtiges Qualitätskriterium. Doch immer komplexere Lieferketten lassen kritische Mängel bei der Lagerung und den Distributionssystemen zu Tage treten.

Längst besteht die Pharmalogistik nicht mehr aus nur wenigen Großhändlern. Eine wachsende Zahl von Dienstleistern und Zwischenstufen beim Verladen, Umschlag und Transport, inkl. Luft- und Seefracht mit komplexen Zoll- und Sicherheitsabwicklungen, muss integriert werden. So weiten auch der globale und rasant wachsende Pharmahandel nach Osteuropa, China, Indien, Brasilien sowie Online-Direktlieferungen die Lieferketten erheblich aus. Damit wächst die Gefahr von Parallelvertrieben, Beschädigungen, unsachgemäßen Transporten und Fälschungen. Die Zollbehörden der EU haben in 2017 über eine halbe Million gefälschte Medikamente beschlagnahmt. Nach einer Schätzung von Europol verliert der EU-Pharmasektor in der Herstellung jährlich rund 10,2 Mio. Euro. Die Verluste von beispielsweise Apothekern ist hier nicht mit einberechnet.
Je länger die zurückgelegten Strecken sind und höher die Anzahl der Prozessbeteiligten, desto höher die Gefahr von unsachgemäßen Transporten, Auffälligkeiten beim Temperatur-Mapping und unzureichender Rückverfolgung von temperaturüberwachten Lieferungen. Viele Schnittstellen sind zudem anfällig, dass Fälschungen in die Lieferkette geraten.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte warnte im Dezember 2019 vor Fälschungen des Arzneimittels Xarelto® 20mg, das unter Anderem zur Behandlung von Embolien und zur Prophylaxe von Schlaganfällen verwendet wird. Die Chargenbezeichnungen waren teils real, allerdings konnte der Hersteller die Identität der Wirk- und Inhaltsstoffe nicht bestätigen.

Lagerung als Teil der Herstellung

Um die stringente Kontrolle der Lieferketten für sämtliche Arzneimittel zu ermöglichen, gilt seit 2013 die EU-Leitlinie für die gute Vertriebspraxis von Humanarzneimitteln (Good Distribution Practice, GDP). Demnach müssen Großhändler und nachgelagerte Transportunternehmen wie auch Kuriere die Lageranforderungen vom Hersteller selbst beim Transport einhalten. Ebenso haben sich Apotheken mit Großhandelserlaubnis an die GDP-Vorgaben zu halten. Was geschieht allerdings, wenn die Arzneimittel beim Hersteller die Werkstore verlassen und sich auf den weiten Weg zum Patienten begeben?
Mit den konkreten Anforderungen durch GDP haben der vollversorgende pharmazeutische Großhandel, Transportanbieter und Logistik-Dienstleister erheblich investiert, von der Temperatur-, Feuchtigkeitskontrolle der Fahrzeuge und Lager, bis hin zu IT-seitigen Vernetzungen mit Kühlketten- und Seriennummernverfolgung. GDP hat einen Paradigmenwechsel ausgelöst und die Lieferkette auf das Niveau der Produktion und Fertigung (Good Manufacturing Practice, GMP) gehoben. Auch wenn die Lagerung Teil der Herstellung ist, weisen Lagerung und Transporte in der Praxis teils eklatante Schwachstellen auf.
Nicht zuletzt als Folge des enormen Kostendrucks auf langen Transportwegen geraten Arzneimittellieferungen mitunter zu Zwischenhändlern ohne Großhandelsgenehmigung oder in nicht geeignete Fahrzeuge mit mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen. In Audits beobachten wir oft, dass die erforderlichen Lagerbedingungen während des gesamten Transportwegs durch fehlenden Schutz vor thermischen Einflüssen nicht eingehalten werden. Hinzu kommen Mängel bei Lagerhallen mit nicht gewarteten Temperaturfühlern, baulichen Mängeln oder mangelhafter Schädlingsbekämpfung. Teilweise kommt es zum Hitzestau durch fehlende Belüftung insbesondere unter dem Hallendach, Kühlschränke sind in Umschlagslagern nicht vorhanden. Regional unterschiedliche Vorgaben der Aufsichtsbehörden erschweren zudem durchgängig gesicherte Prozesse. Auch wenn die festgestellten Abweichungen häufig im Zusammenhang mit den Temperaturverläufen beim Transport stehen, dürften diese mit der seit März 2016 geltenden DIN Norm SPEC 91323 allein nicht zu lösen sein. Die Norm regelt lediglich die Klimatisierung von Nutzfahrzeugen für Arzneimitteltransporte. Vielmehr liegen die Probleme der Lagerhaltung und der Distributionssysteme tiefer. Sie sind struktureller Art und umfassen die gesamte Lieferkette. International findet daher bei den Zulassungsbehörden ein Umdenken statt, weg von der Qualität durch Tests, hin zur Qualität durch Planung und Integration aller Prozessbeteiligten.

Gelebtes Risikobewusstsein

In der gesamten Supply Chain müssen die Sorgfaltspflichten der jeweiligen Auftraggeber sowie der Auftragnehmer dokumentiert und überprüft werden, was zur Zeit nicht nachhaltig praktiziert wird. Von der einmal festgestellten formalen Korrektheit des Wareneingangs pauschal auszugehen, ist nicht im Sinne von GDP. Für ein funktionierendes Qualitätsmanagement ist auch nicht allein die technische Ausrüstung entscheidend. Viel entscheidender ist das kontinuierlich gelebte und differenzierte Risikobewusstsein. Beispiel: Wenn für einen bestimmten Transport keine Temperaturmessung möglich ist, muss eine Risikobewertung erfolgen, die u.a. Fahrtdauer, Außentemperaturen, eingesetztes Fahrzeug, Transportbox, Packungsangaben oder schriftliche Bestätigungen des Herstellers berücksichtigt. Hier kann eine sorgfältige und fehlerfrei dokumentierte Risikobewertung im Einzelfall mehr bewirken als schlecht gewartete Messsysteme im Fahrzeug. Kommt es in diesem Fall dann doch zu Abweichungen – wie z.B. bei der Transportdauer – muss der Empfänger allerdings rechtzeitig informiert werden, damit die Lieferung sachgemäß separiert werden kann. Genau an diesen Schnittstellen sind in der Praxis aber Lücken oder unsachgemäße Handhabungen zu beobachten.

Fazit:

Die Kette ist immer nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Vor allem Fahrer und Personal von Transportunternehmen müssen geschult und für ihre transportierte Ware sensibilisiert sein. Eine Validierung der Organisationsstruktur, Arbeitsanweisungen, Verantwortlichkeiten sowie der Transport-Prozesse ist mehr denn je angebracht. Sie ist grundlegend, damit die von den Logistikern bereits getätigten beträchtlichen Investitionen in GDP konforme Systeme ihre Wirkung bis ins letzte Glied der Supply Chain entfalten können.
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