Recycling von E-Schrott

13. Apr. 2021 Audit

Der Druck auf die Prozesse steigt

Die Novelle des Elektrogesetzes und der neuen Behandlungsverordnung sieht ab Januar 2022 deutlich mehr Sammelstellen vor. Damit steigt der Druck auf die fachgerechte Sortierung und Lagerung des E-Schrotts. DEKRA Certification zertifiziert Erstbehandler von Elektro-Altgeräten im Rahmen der Entsorgungsfachbetriebe Zertifizierung.

Rund 860.000 Tonnen Elektro- und Elektronikgeräten (EAG) werden jährlich in Deutschland entsorgt. Doch die Sammelquote von Waschmaschinen, Kühlschränken, Fernsehern, Smartphones und Computern liegt deutlich, um fast ein Fünftel, hinter dem EU-Ziel von 65 Prozent zurück. Um die Massen mit EAG zu steigern, hat die Bundesregierung zwei Gesetzesinitiativen auf den Weg gebracht, die ab 1. Januar 2022 in Kraft treten sollen. Die Novelle des Elektrogesetzes (ElektroG3) steht mittlerweile vor der abschließenden Beratung im Bundestag. Und die ergänzende Verordnung über Anforderungen an die Behandlung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten muss noch vom Bundesrat beschlossen werden.
Zusätzlich zur höheren Sammelquote soll die teils unterschiedliche Verarbeitungspraxis bei den knapp 370 Erstbehandlungsanlagen in Deutschland vereinheitlicht werden. Denn die Bauteile und Werkstoffe der neuen E-Geräte müssen möglichst umfassend, frei von Schadstoffen und nach dem Stand der Technik wieder in die Materialkreisläufe zurückgelangen können. So wurden in der Behandlungsverordnung erstmals auch die Anforderungen an die Verarbeitung von ausrangierten Photovoltaikmodulen festgelegt.

Das größere Sammelnetz

Mit den Neuregelungen des ElektroG wird das Sammelnetz sehr viel umfangreicher: Geplant ist, dass Betreiber von zertifizierten Erstbehandlungsanlagen erstmals Altgeräte direkt von Privatverbrauchern zurücknehmen können. Neben Elektrofachmärkten, Baumärkten und anderen Vertreibern mit einer Verkaufsfläche für Elektro- und Elektronikgeräte werden neuerdings auch die meisten Lebensmitteleinzelhändler und Discounter zur Rücknahme von EAG verpflichtet. Das Gesetz nennt hier eine Schwelle von mindestens 800 Quadratmeter Gesamtverkaufsfläche, sofern mehrmals im Kalenderjahr Elektro- und Elektronikgeräte angeboten werden.
Mit der Ausweitung des Sammelnetzes steigt zwangsläufig der Druck auf die nach wie vor kritischen Prozesse: nämlich die Sortierung des Elektronikschrotts nach Gerätegruppen und Batterietypen sowie die Lagerung der anschließenden Materialfraktionen. Diese Prozesse an den Sammel- und Übergabestellen zerstörungsfrei und bruchsicher auszulegen, sind die Grundlagen für die weiteren Verarbeitungsschritte wie das Zerlegen oder Schreddern und damit wesentliche Voraussetzung für den Umsetzungserfolg des neuen ElektroG.

Die Behandlungsverordnung mit Gesetzescharakter

Im Rahmen des novellierten ElektroG wird die bisherige Anlage 4 Selektive Behandlung von Werkstoffen und Bauteilen von Altgeräten in eine eigenständige Rechtsverordnung überführt. Denn die bislang in der Anlage 4 enthaltenen Anforderungen für die Schadstoffentfrachtung wurden seit Einführung des ElektroG im Jahr 2005 nicht mehr weiterentwickelt. Zwar ist die Ausweitung der Rücknahmepflicht ein wichtiger Hebel für eine effizientere Kreislaufwirtschaft, gleichzeitig sind die Brandgefahren in der Recyclingkette nicht gebannt, vielmehr werden sie noch steigen. Immer wieder stehen deshalb batteriebetriebene Altgeräte in Verdacht, Brände in Entsorgungs- bzw. Erstbehandlungsanlagen (EBA) auszulösen.
Um die weitestgehend zerstörungsfreie Entnahme von Batterien und Akkumulatoren bei Erstbehandlungsbetrieben in der Umsetzung praktikabel zu dokumentieren und bei einer Zertifizierung zu überprüfen, legt die Behandlungsverordnung als Maßstab den international generell vorgeschriebenen Grenzwert für Cadmium (100 mg Cd/kg) fest. Die nach CENELEC 50625-3-1 zertifizierten Erstbehandler müssen bereits mit Beprobungen dokumentieren, dass sie in der Schredder-Fraktion den Grenzwert 100 mg Cd/kg einhalten. Sie beproben mindestens vierteljährlich, weshalb sich auch die übrigen Erstbehandler künftig auf eine quartalsweise Laboranalyse der Cadmium-Konzentration einstellen werden.

Brandrisiken noch nicht gebannt

Im § 14 des novellierten ElektroG heißt es: „Die Behältnisse müssen so befüllt werden, dass ein Zerbrechen der Altgeräte, eine Freisetzung von Schadstoffen und die Entstehung von Brandrisiken vermieden wird.“ Dies ist ein neuralgischer Punkt: Selbst bei den öffentlich-rechtlichen Sammelstellen sind Schulungen notwendig, um die fachgerechte Separierung von batteriebetriebenen Geräten und energiereichen Li-Batterien sicherzustellen. Gelingt das nicht, entstehen gemischte Schüttungen in nicht geeigneten Behältnissen.
Bereits mechanische Beschädigungen am Gehäuse der Batterie, z. B. durch Fallenlassen oder Verbiegen, können durch die reaktiven Inhaltsstoffe sowie die enorme Energiedichte einen internen Kurzschluss oder eine Selbstentzündung bis zu einem massiven Brandereignis auslösen. Diese Szenarien sind nicht zu unterschätzen, wenn beispielsweise der Lebensmittelhandel großflächig in das Sammelnetz eingebunden wird, und die Massen zur Entsorgung kräftig steigen.

Informieren und kennzeichnen

Eine weitere Hürde in der Entsorgungspraxis ist die Bauart vieler Elektrogeräte mit eingekapselten Batterien. Entweder entfernen Fachleute diese Batterien oder sie werden ordnungsgemäß mit dem Gehäuse in der Entsorgungskette als „ALTGERÄT MIT BATTERIE“ deklariert. Wurden jedoch beschädigte Li-Batterien abgegeben, müssen Container oder das Fahrzeug deutlich auf das Gefahrgut hinweisen: z.B. mit „BESCHÄDIGTE/DEFEKTE LITHIUM-IONEN-BATTERIEN“.
Damit bei den steigenden Entsorgungsvolumina nicht vermehrt gemischte E-Schrottladungen auf die Recyclinghöfe gelangen, sind die energiereichen Li-Batterien frühzeitig – und zwar bei der Schadstoff-Annahme – zu erkennen und strikt zu separieren. Die betreffenden Container oder Transportfahrzeuge erhalten eine deutliche Kennzeichnung: z. B. „LITHIUMBATTERIEN ZUR ENTSORGUNG“.
Das neue ElektroG verlangt bereits in den Geschäften umfangreiche Informationspflichten zwischen Hersteller, Rücknahmestellen und Verbraucher. Umfragen der Stiftung ear, elektro-altgeräte register zeigen den Bedarf: Für die meisten Menschen in Deutschland ist die Beschäftigung mit der richtigen Entsorgung von Elektro-Altgeräten mühsam und gehört nicht zum Alltag. Stabile Entsorgungsprozesse und Kennzeichnungspflichten werden zu zentralen Instrumenten, um die Risiken zu steuern und die Recyclingziele zu erreichen.
Andreas Biermann, Leiter Logistik, Ver- und Entsorgung, DEKRA Certification GmbH
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