Recycling von E-Schrott: Fachkunde auf allen Stufen gefragt

15. Nov. 2022 Audit
Das 2022 in Kraft getretene Elektrogesetz verlangt von Herstellern, Händlern und Online-Plattformen u.a. umfangreiche Rücknahmepflichten von Elektro-Altgeräten. Damit die EU-weit geforderten höheren Sammelquoten realisiert und die nach wie vor bestehenden beträchtlichen Brandrisiken vermieden werden, ist bei allen Beteiligten Fachwissen gefragt: bei der Annahme, beim Sortieren und Transportieren.
Kurze Lebenszyklen und hohe Wertstoffgehalte kennzeichnen die Entwicklung von Elektro- und Elektronikprodukten (EAG). Die Kehrseite sind rund 880.000 Tonnen Elektroschrott. Dieser Berg wird allein in Deutschland jährlich entsorgt. Zwar liegt die Sammelquote von Waschmaschinen, Kühlschränken, Fernsehern, Smartphones und Computern deutlich hinter dem EU-Ziel von 65 Prozent zurück. Erstmals konnte die stiftung ear jedoch für 2021 gegenüber dem Vorjahr 1,07 Millionen Tonnen mehr gesammelte Elektro-Altgeräte registrieren.
Die positive Entwicklung wird auf verstärkte Rücknahmen bei Herstellern, bei Vertreibern/Händlern sowie bei den Betreibern von Erstbehandlungsanlagen (EBA) zurückgeführt. Zur Verbesserung der Recyclingquoten hat die Bundesregierung zwei Gesetzesinitiativen auf den Weg gebracht, die ab 1. Januar 2022 in Kraft getreten sind: die Novelle des Elektrogesetzes (ElektroG) und die ergänzende Verordnung über Anforderungen an die Behandlung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten.

Größeres Sammelnetz erschwert fachgerechte Entsorgung

Damit der Anteil zurückgenommener EAG steigt, können Verbraucher ab 1. Juli 2022 ihre ausgedienten Geräte in weiten Teilen des Lebensmittelhandels kostenlos abgeben. Voraussetzung ist u.a. eine Gesamtverkaufsfläche von mindestens 800 Quadratmetern, und dass mehrmals im Jahr oder dauerhaft Elektrogeräte angeboten werden, wozu bereits der regelmäßige Verkauf von Leuchtmitteln zählt. Händler haben die Möglichkeit, die zurückgenommenen EAG entweder selbst zu verwerten oder diese an die öffentlich-rechtlichen Sammelstellen oder Hersteller zu übergeben.
Mit dem größeren Sammelnetz steigt zwangsläufig der Druck auf die fachgerechte Sortierung von Elektronikschrott nach Gerätegruppen und Batterietypen und die sichere Lagerung der anschließenden Materialfraktionen in geeigneten Behältern. Damit nicht vermehrt gemischte E-Schrottladungen auf die Recyclinghöfe gelangen und weitere Brandlasten entstehen, müssen energiereiche Li-Batterien bei der Schadstoff-Annahme – künftig auch bei Lebensmittelhändlern und Discountern – erkannt und fachkundig separiert werden. Erstbehandlungsbetriebe sind zudem verpflichtet, Batterien, Tonerkartuschen, bestimmte Scheiben von Flachbildschirmen sowie Kältemittel vor der mechanischen Zerkleinerung auszubauen.
Unterbleibt bei der Annahmestelle die strikte Trennung und gelangen gemischte Schrott-Container zum Recyclingunternehmen, sind erhebliche Brandlasten bei der Lagerung und in den nachgelagerten Entsorgungsstufen die Folge. Ein weiteres Problem ist die Bauart vieler Elektrogeräte mit einkapselten Batterien, die nur Fachleute ausbauen können. Hier geraten Li-Batterien oftmals mit bleihaltigen Stoffen im selben Container. Das Risiko: Bereits kleinere mechanische Beschädigungen am Schutzmantel einer Li-Batterie – z. B. durch Fallenlassen oder Verbiegen – können Selbstzündungen und Großbrände ganzer Schrottberge mit weitreichenden Umweltfolgen auslösen.

„Häufig keine ordnungsgemäße Annahme“

Zwar ist die Ausweitung der Rücknahmepflichten ein wichtiger Hebel für eine effizientere Kreislaufwirtschaft. Doch solange die vorgelagerte Rückgabe- oder Sammelstelle den Einbauzustand der Batterie nicht erkennt, ist die systematische Trennung von Altgeräten mit oder ohne Li-Batterien nicht möglich. Bei fehlenden Fachkenntnissen und mangelnden Kontrollen kommt es daher unweigerlich zu gemischten Schüttungen in nicht geeigneten Behältnissen.
DEKRA Sachverständige beobachten bei Zertifizierungen von Entsorgungs- und Logistikunternehmen häufig keine ordnungsgemäße Annahme, Lagerung und Weitergabe. Die Abweichungen dürften zunehmen, wenn der Lebensmittelhandel großflächig als Sammelstelle eingebunden wird und die anstehenden Massen an EAG nicht fachgerecht getrennt und gelagert werden können. Folglich bleiben auch die Regelungen für E-Schrott-Transporte unter ihren Möglichkeiten, wenn z.B. Li-Batterien zuvor nicht erkannt und strikt separiert wurden.
Die Übernahme der EAG an den Sammel- und Übergabestellen zerstörungsfrei und bruchsicher auszulegen, ist die Grundlage für die weiteren Verarbeitungsschritte (wie Zerlegen oder Schreddern) und damit eine wesentliche Voraussetzung für den Umsetzungserfolg des neuen ElektroG. Zertifizierungen, Schulungen oder Audits an den Annahmestellen bieten hierfür wesentliche Grundlagen.

Zertifizierung zum Entsorgungsfachbetrieb

Um die immer komplexeren Abfallmengen fachgerecht zu entsorgen sowie Betriebs- und Umweltschäden vorzubeugen, zertifiziert DEKRA Entsorgungsfachbetriebe entsprechend der Entsorgungsfachbetriebeverordnung (EfbV) und gemäß §§ 56 und 57 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG). Die Anerkennung beinhaltet die Zulassung als (Erst-) Behandlungsanlage für Elektro- und Elektronik-Altgeräte (EAG) nach dem Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten (ElektroG).
Die Zertifizierung richtet sich an alle Betriebe, die Abfällen sammeln, befördern, lagern, behandeln, verwerten, beseitigen oder mit Abfällen makeln. Dies kann beispielsweise auch ein kleiner Sammelbetrieb oder ein Betriebsteil sein, ein üblicher Schrottplatz oder eine große Entsorgungsanlage.
Voraussetzungen zur Zertifizierung nach EfbV
  • Detaillierte Beschreibung der Tätigkeiten
  • Darstellung der Betriebsorganisation
  • Nachweis über Betriebsgenehmigungen (unter anderem Baurecht, BlmSchG oder AbfG)
  • Entsprechend geführtes Betriebshandbuch
  • Verständlich formulierte Arbeitsanweisungen
  • Ernennung von Betriebsbeauftragten für Abfall und Gefahrstoffe (sofern erforderlich)
  • Ausreichender Versicherungsschutz
  • Fachkunde des Inhabers bzw. der Inhaberin und der für die Leitung und Beaufsichtigung des Betriebs verantwortlichen Personen (§ 9 EfbV)
  • Entsprechende Personalqualifikationen
Rechtlicher Rahmen für die Entsorgung von EAG
Den wesentlichen Rechtsrahmen für den komplexen Umgang mit Abfällen in der Europäischen Union bildet die Abfallrahmenrichtlinie AbfRRL (Richtlinie 2008/98/EG über Abfälle, geändert durch Richtlinie 2018/851/EU). Mit ihr sollen ordnungsgemäße Techniken der Abfallvermeidung, der Abfallbewirtschaftung, der Verwertung (Recycling) und der Beseitigung zum Schutz der Umwelt und menschlichen Gesundheit beitragen sowie den Ressourcenverbrauch verringern. Die Abfallrahmenrichtlinie ist Bestandteil des sogenannten EU-Legislativpakets zur Kreislaufwirtschaft. Das Legislativpaket enthält Änderungen u. a. der Elektro- und Elektronikgeräterichtlinie, Verpackungsrichtlinie, Batterierichtlinie, Altfahrzeugrichtlinie sowie der Deponierichtlinie.