Jubilee Signet

Neues zur Omnibus-Initiative und zu kommenden ESG-Pflichten

18. Juli 2025 Nachhaltigkeit
Stand Juni 2025

Das Omnibus-Paket im Überblick

Am 26. Februar 2025 stellte die Europäische Kommission das sogenannte Omnibus-Paket vor – ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Verschiebung, Vereinfachung und gezielten Anpassung von Nachhaltigkeitsberichtspflichten. In unserem März-Update hatten wir die ersten Eckpunkte vorgestellt. Inzwischen sind Richtlinien verabschiedet, Beschlüsse getroffen und Fahrpläne konkretisiert worden – insbesondere mit Blick auf mittelständische Unternehmen. Dieser Beitrag bietet einen aktuellen Überblick über die wichtigsten Entwicklungen.
Hinweis! Was regelt das Omnibus-Paket konkret?
Für das Verständnis der aktuellen Entwicklungen rund um das erste Omnibus-Paket ist es entscheidend, die darin enthaltenen Entwürfe für Änderungsrichtlinien (ÄnderungsRL-E) zu unterscheiden. Wichtig: Jeder Entwurf löst ein eigenes Gesetzgebungsverfahren aus und behandelt unterschiedliche Bereiche der ESG-Regulierung:
1. ÄnderungsRL-E COM(2025) 80
  • Bekannt als „Stop-the-Clock“-Richtlinie
  • Regelt die zeitliche Verschiebung der Anwendungspflichten für:
    • Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)
    • EU-Taxonomie
    • Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD)
  • Bereits verabschiedet als Richtlinie (EU) 2025/794 am 16. April 2025
2. ÄnderungsRL-E COM(2025) 81
  • Bezieht sich auf inhaltliche Anpassungen bei den Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung und die Sorgfaltspflichten
  • Enthält u. a. Vorschläge zur Anhebung der Schwellenwerte für die Berichtspflicht
  • Befindet sich aktuell noch im Trilog-Verfahren (Stand Juni 2025)
3. ÄnderungsRL-E COM(2025) 87
  • Behandelt die Vereinfachung und Stärkung des Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM)
  • Befindet sich im Gesetzgebungsverfahren
Wichtig: Die ESG-Berichtspflichten nach CSRD, EU-Taxonomie und CSDDD werden vor allem in den ÄnderungsRL-E 80 und 81 behandelt. Diese Richtlinien werden jedoch unabhängig voneinander verhandelt. Das bedeutet zum Beispiel, dass die bereits beschlossene zeitliche Verschiebung aus ÄnderungsRL-E 80 auch Unternehmen betrifft, die nach dem geplanten Anwendungsbereich von ÄnderungsRL-E 81 nicht mehr berichtspflichtig wären (z. B. kapitalmarktorientierte KMU). Erst in der finalen Kombination beider Richtlinien wird sich genau klären, welche Unternehmen ab wann Berichtspflichten erfüllen müssen.

„Stop the Clock“ – Verschiebung der CSRD-Erstanwendung

Mit der Richtlinie (EU) 2025/794 vom 16. April 2025 verschiebt die EU-Kommission die Einführung der CSRD-Berichtspflicht für mehrere Unternehmensgruppen:
  • Welle 2: Start verschiebt sich von 2025 auf 2027
  • Welle 3: Start verschiebt sich von 2026 auf 2028
  • CSDDD: Sorgfaltspflichten für Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitenden und 1,5 Mrd. € Umsatz werden von 2027 auf 2028 verschoben
Für Unternehmen der Welle 1 (große kapitalmarktorientierte Unternehmen) ist ein „Quick Fix“ in Vorbereitung, der bestimmte Berichtspflichten temporär aussetzt. Ein entsprechender delegierter Rechtsakt soll bis Sommer 2025 veröffentlicht werden.
Überblick: Wellen der CSRD-Pflicht
WelleUnternehmenstypUrsprünglicher StartNeuer Start (Omnibus)
1Kapitalmarktorientierte Unternehmen >500 MA2024 (Bericht 2025)Unverändert (ggf. „Quick Fix“)
2Große nicht börsennotierte Unternehmen >250 MA20262027
3Kapitalmarktorientierte KMU20272028

Anpassung des Anwendungsbereichs der CSRD

Derzeit befindet sich die Änderungsrichtlinie E-81 im Trilog-Verfahren. Im Zentrum steht die geplante Anhebung der Schwellenwerte:
Der Vorschlag der Kommission vom 26. Februar 2025 sieht vor, die Schwelle für eine CSRD-Pflicht auf Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden anzuheben – was rund 80 % der bisherigen Unternehmen aus dem Anwendungsbereich herausnehmen würde.
Diskutiert werden zudem alternative Schwellen (z. B. 500, 3.000 oder 5.000 Mitarbeitende) sowie ein freiwilliger Berichtspflichtenstandard, der sogenannte VSME-Standard (Voluntary Sustainability Reporting for Micro-Entities) für kleinere Unternehmen.
Hinweis! Indirekte Betroffenheit: Der Trickle-Down-Effekt
Auch Unternehmen, die nicht unmittelbar unter die CSRD-Berichtspflicht fallen, bleiben von den Veränderungen nicht unberührt. In der Praxis bedeutet das: Immer mehr große Unternehmen in der Lieferkette fordern von ihren Zulieferern und Partnern umfassendere Nachhaltigkeitsinformationen und Nachweise. Diese steigenden Anforderungen kommen oft von Kunden, Investoren oder anderen Stakeholdern, die ESG-Aspekte stärker in ihre Entscheidungen einbeziehen. Dadurch entsteht ein sogenannter „Trickle-Down-Effekt“ – kleinere und mittelständische Unternehmen müssen zunehmend eigene Nachhaltigkeitsprozesse und -berichte aufbauen, um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben und Geschäftsbeziehungen zu sichern.

Inhaltliche Anpassungen der CSRD und ESRS

Ziel der Überarbeitung der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) ist die Vereinfachung und Entlastung, insbesondere für mittelständische Unternehmen:
  • Reduktion verpflichtender Datenpunkte
  • Klärung zentraler Definitionen
  • Verbesserung der Struktur und Übersichtlichkeit
  • Stärkere Orientierung an globalen Standards
Die EU-Kommission hat die EFRAG am 27. März 2025 mit der Überarbeitung beauftragt. Der Fahrplan ist ambitioniert:
  • (noch im) Juli 2025: Veröffentlichung erster Entwürfe („Exposure Drafts“)
  • Aug./Sep. 2025: Öffentliche Konsultation (30–45 Tage)
  • Okt. 2025: Übergabe des finalen „Technical Advice“ an die Kommission
Parallel laufen Workshops und Interviews mit Stakeholdern, um die Praxisnähe zu stärken. Sektorenspezifische Standards wurden vorerst zurückgestellt.

EU-Taxonomieverordnung: Geplante Änderungen

Auch bei der EU-Taxonomieverordnung stehen umfassende Änderungen bevor. Ziel ist es, die Berichtspflichten zu entschlacken und praktikabler zu gestalten:
    • Künftig soll die Berichtspflicht nur Unternehmen mit >1.000 Mitarbeitenden betreffen, die zusätzlich entweder >50 Mio. € Umsatz oder >25 Mio. € Bilanzsumme erreichen.
    • Eine Opt-in-Regelung ist für Unternehmen mit >1.000 Mitarbeitenden, aber <450 Mio. € Umsatz vorgesehen. Diese wären damit von der Taxonomie-Pflicht befreit.
    Folge: Nicht alle CSRD-pflichtigen Unternehmen wären automatisch auch taxonomiepflichtig – ein Bruch mit der bisherigen Systematik.
    Geplante Änderungen EU Taxonomie zusammengefasst:
    ÄnderungInhalt
    WesentlichkeitKeine Prüfung für Aktivitäten <10 % Umsatz/Investitionen
    DNSH-KriterienVereinfachte Nachweise, klare Bezugnahme auf REACH
    MeldebögenNur noch 27 statt 78 Datenpunkte, Fokus auf Relevanz
    Die Änderungen sollen noch im 2. Quartal 2025 beschlossen und ab 2026 wirksam werden.

    Neuerungen bei der CSDDD

    Auch die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) wurde überarbeitet. Ziel: Bürokratieabbau bei gleichzeitiger Wahrung des Schutzes relevanter Stakeholder.
    Wesentliche Anpassungen:
    • Stakeholderbegriff beschränkt sich auf direkt Betroffene (z. B. Arbeitnehmer, Anwohnende)
    • Reduzierte Pflichten, z. B. keine verpflichtenden Konsultationen bei Vertragsbeendigungen
    • Transitionspläne: Keine verbindliche Umsetzungspflicht – nur Beschreibung geplanter Maßnahmen
    • „In-depth-Assessments“ nur bei konkreten Risikohinweisen
    Praxis-Check: Welche Auswirkungen haben die neuen ESG-Vorgaben für Unternehmen – und wie lässt sich die steigende Komplexität im Alltag bewältigen?
    Antworten darauf gibt unser Interview mit Annette Dési, Leiterin Team Nachhaltigkeit bei DEKRA Certification GmbH: „Wir lernen alle gerade“
    „Wir alle lernen gerade“ – Interview mit Annette Dési, Leiterin Team Nachhaltigkeit bei DEKRA Certification GmbH
    Frage: Frau Dési, wie erleben Sie die aktuelle Situation rund um das Omnibus-Paket und die ESG-Regulierung?
    Annette Dési: Ehrlich gesagt – wir stecken mitten in einer Transformationsphase, die viele Beteiligte überfordert. Und das ist absolut menschlich. Das, was da gerade auf Unternehmen zukommt, ist nicht nur ein neues Reporting-Set – es ist ein kultureller Umbruch. Die Vielzahl an Regelungen, ständige Updates und neue Erwartungen führen zu Unsicherheit – selbst bei erfahrenen Nachhaltigkeitsexpert:innen. Das Omnibus-Paket bringt hier kurzfristig Erleichterung durch Verschiebungen, aber langfristig wird die Komplexität nicht weniger.
    Frage: Das klingt nach viel zusätzlichem Druck. Wie kommen Unternehmen damit klar?
    Annette Dési: Viele fühlen sich tatsächlich überfordert, und das ist nachvollziehbar. Aber es hilft, das Ganze Schritt für Schritt anzugehen. Wichtig ist eine ehrliche Bestandsaufnahme: Wo stehen wir? Was können wir realistisch leisten? Und: Es ist völlig in Ordnung, offen zu kommunizieren, wo man noch keine abschließenden Antworten hat. Niemand erwartet, dass alles sofort perfekt ist. Gleichzeitig sollten Unternehmen den Fehler vermeiden, Dinge aufzuschieben. Denn die Nachhaltigkeitsberichterstattung wird mehr und mehr zum strategischen Herzstück – und wer jetzt investiert, profitiert langfristig.
    Frage: Was bedeutet das konkret für Unternehmen?
    Annette Dési: Unternehmen müssen heute stärker denn je zwischen „Pflicht“ und „Strategie“ unterscheiden. Natürlich geht es um Fristen, Formate und rechtliche Sicherheit – aber gleichzeitig stehen wir alle vor der Frage: Wie ernst meinen wir es mit Nachhaltigkeit? Viele wissen noch gar nicht, wo sie anfangen sollen – da helfen Tools, Standards und Beratung. Aber wir dürfen nicht glauben, dass eine Software alleine das Problem löst. In diesem schnelllebigen Umfeld sind Tools wichtig, aber sie müssen mit Bedacht eingesetzt werden – und vor allem: Sie ersetzen nicht den Menschen und seine Verantwortung.
    Frage: Wie verändert sich dadurch die Unternehmenskultur?
    Annette Dési: Nachhaltigkeit wird heute viel stärker als früher zur Querschnittsaufgabe. Das heißt: Alle müssen an Bord sein – vom Einkauf bis zum Controlling, von der Geschäftsleitung bis zur Basis. Und das ist ein echter Kulturwandel. Es entstehen Unsicherheiten, manchmal auch Widerstände. Aber wenn man den Prozess transparent gestaltet und gemeinsam lernt, entsteht auch neue Motivation. Nachhaltigkeit wird dann nicht mehr als lästige Pflicht wahrgenommen, sondern als etwas, das zur eigenen Identität gehört – und das verbindet.
    Frage: Wie verändert sich der Regulierungsrahmen inhaltlich – etwa bei der CSDDD?
    Annette Dési: Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive ist ein gutes Beispiel für die Entwicklung hin zu mehr Substanz statt Formalismus. Die Neufassung sieht z. B. vor, dass Unternehmen künftig nur dann eine vertiefte Risikoanalyse durchführen müssen, wenn konkrete Hinweise auf Probleme vorliegen. Konsultationen bei Vertragsbeendigungen sind ebenfalls nicht mehr verpflichtend. Und auch die Transitionspläne sind nicht mehr verbindlich umzusetzen – sie müssen aber weiterhin nachvollziehbar beschrieben werden. Das reduziert Bürokratie, heißt aber auch: Unternehmen müssen selbst mehr Verantwortung übernehmen, ehrlich bewerten und Risiken wirklich verstehen.
    Frage: Es gibt weitere neue Regelungen – welche Rolle spielen die im Gesamtbild?
    Annette Dési: Ein sehr spannender Punkt ist, dass Nachhaltigkeitsberichterstattung zunehmend mit anderen Themen und Regulierungen verschmilzt. Der freiwillige Carbon Market ist da ein gutes Beispiel. Kompensation gewinnt an Bedeutung – für Unternehmen, aber auch für Städte und Länder im Kampf gegen den Klimawandel. Gleichzeitig regulieren neue EU-Initiativen wie die Green Claims Directive und die EmpCo-Richtlinie die Art und Weise, wie wir über Nachhaltigkeit kommunizieren dürfen. Jede Aussage wird künftig auf die Waagschale gelegt. Es wird also strenger, aber auch transparenter – und das ist gut so.
    Frage: Was raten Sie Unternehmen, die sich jetzt noch orientieren?
    Annette Dési: Fangen Sie an – auch wenn Sie noch nicht alles wissen. Niemand hat aktuell die perfekte Lösung. Wichtig ist, die eigene Ausgangslage zu kennen, realistische Ziele zu setzen und offen zu kommunizieren. Nachhaltigkeit ist ein Prozess, kein Sprint. Und: Bleiben Sie im Austausch – mit Berater:innen, mit Branchenkolleg:innen, mit der eigenen Belegschaft. Die Entwicklung ist rasant, aber das bedeutet auch: Wer heute investiert – in Wissen, in Haltung, in Zusammenarbeit – wird morgen resilienter sein.
    Abschluss: Was bleibt unterm Strich?
    Annette Dési: Wir alle lernen gerade. Niemand kann heute sagen, wie das perfekte ESG-Setup aussieht. Aber eines ist sicher: Wer Nachhaltigkeit ernst nimmt, darf sich nicht nur auf Tools oder Fristen verlassen – sondern muss mit Haltung, Transparenz und Lernbereitschaft vorangehen. Und das ist keine Schwäche, sondern eine echte Stärke. Diese Zeit fordert uns heraus, aber sie bietet auch eine enorme Chance zur Neuausrichtung – für Unternehmen, für ganze Branchen, für unsere Gesellschaft.