Lebensmittelsicherheit: Händler sind in der Schlüsselposition

19. Juli 2022 Audit

Das IFS Broker-Audit für juristische Personen und Unternehmen

Lebensmittelskandale mit Listerien kontaminierter Ware treten leider immer wieder auf. Erst im April 2022 wurde publik, dass ein südhessischer Obst- und Gemüsebetrieb Schnittgemüse wie Gurken, Rotkraut und Tomaten an Krankenhäuser geliefert habe, das mit Listerien verunreinigt gewesen sei. Mehrere Patienten seien erkrankt, ein Patient verstarb an oder mit der Infektion. Dass bei einer zu niedrigen Kontrolldichte lebensmittelrechtliche Verstöße unbemerkt bleiben, ist eine seit Jahren zu hörende Kritik. Der hessische Landesrechnungshof hatte im April 2022 mitgeteilt, dass bei 50.000 geplanten Betriebskontrollen im Prüfungszeitraum zwischen 2016 bis 2018 die Erfüllungsquote bei lediglich 74 Prozent lag. Jede vierte Betriebskontrolle habe nicht stattgefunden.

Im Kern vieler Lebensmitteskandale besteht ein strukturelles Spannungsfeld: nämlich zwischen mangelnder bzw. mangelhafter Eigenüberwachung und nicht überwachten Kundenanforderungen der Lieferketten. Während inzwischen Futtermittel für landwirtschaftliche Nutztiere durch die Branchenanforderungen insbesondere in Deutschland und den Benelux-Ländern im Grunde nur noch von zertifizierten Betrieben in den Verkehr gebracht werden können, gilt dies für Lebensmittelbetriebe in dieser Konsequenz bisher nicht. Hier werden die Anforderungen vom jeweiligen Kundenkreis festgelegt. Lebensmittelhersteller sind daher für die Produktsicherheit in erster Linie eigenverantwortlich.
Verantwortung der Händler
Hersteller und Großverbraucher sind von einer Vielzahl an Importeuren, Lebensmittelgroßhändlern, Betriebsmittelgroßhändlern umgeben, die wiederum ihre Lieferketten teils neu ausrichten müssen. Als Folge der Pandemie und des Kriegs in Osteuropa steigt bei vielen Betrieben der Veränderungsdruck. Arbeitsabläufe werden rationalisiert, Ersatzprodukte ausgeschrieben. So steht die Ressourcenbeschaffung bei gleichzeitiger Lebensmittelsicherheit und Knappheit an Fachkräften vor beträchtlichen Herausforderungen: von der Landwirtschaft, dem Ernährungshandwerk und der Ernährungsindustrie bis hin zum Einzelhandel und zur Gastronomie. Um Einzelhändler mit neuen Produzenten zu vernetzten, spielen immer mehr Broker und Handelsagenturen eine wichtige Rolle.
Zur Ressourcenbeschaffung und Produktentwicklung trägt auch im wachsenden Maß der E-Commerce bei. Allein in Deutschland entwickeln geschätzt 1.000 Start-ups neue Geschmacksrichtungen oder Food-Tech-Innovationen mit außergewöhnlichen Zutaten, um diese wiederum über den Handel oder die Direktvermarktung zu vertreiben. Audits zeigen, dass Fachkenntnisse über den Umgang mit Lebensmitteln, gesetzliche Anforderungen, Food Hygiene, Food Fraud und Food Defense stets hinterfragt werden sollten, zumal auch Start-Ups und Zwischenhändler hier zuweilen Lücken aufweisen. Folglich erhöhen insbesondere die Handelsketten den Druck auf Zwischenhändler und Broker, dass sie ihre Ware und Rohstoffe aus zertifizierten Quellen beziehen.
IFS Broker: Standard zur Auditierung und Bewertung
Ein Grundproblem der Lebensmittelsicherheit ist, dass analytisch nur das gefunden werden kann, was bekannt ist. Zum Verzehr nicht geeignete Zusätze, falsche Deklarationen, Kontaminationen können bei vielen, intransparenten Zwischenstufen unerkannt bleiben. Angesichts weitverbreiteter Betrugsformen ist eine Authentizitätsprüfung beim Wareneingang entscheidend. Besonderes Augenmerk sollte u.a. auf die physischen Eigenschaften und den Verarbeitungsgrad von Lebensmitteln und deren Zutaten gelegt werden. Beispielsweise sind Flüssigkeiten oder Pulver leichter zu verfälschen als feste Lebensmittel in ihrer natürlichen Struktur.
Zur Auditierung und Bewertung, ob alle rechtlichen und kundenspezifischen Anforderungen (Service Compliance) erfüllt sind, ist der IFS Broker (Version 3.1, 2021) ein hilfreicher, international anerkannter Standard. Adressiert werden Unternehmen bzw. Personen, die mit Lebensmittel, Haushalts- und Körperpflegeprodukten und/oder Verpackungsmaterialien handeln:
    • Broker, die als Agent für andere tätig sind, um Kontrakte zu verhandeln, gegen Honorar oder Provision ein- oder verkaufen.
    • Handelsagenturen, die durch Hersteller autorisiert sind, bestimmte Produkte in einem Gebiet zu vertreiben, jedoch ein eigenes Kerngeschäft betreiben und nicht für einen Auftraggeber handeln.
    • Händler/Kaufleute, deren Kerngeschäft der Einkauf oder Verkauf ist.
    • Importeure, die Produkte aus einem anderen Land zum Zweck des Verkaufs einführen.
Damit die Händler ihre Lieferkette genauer unter die Lupe nehmen können und Qualitätsanforderungen durchsetzen können, enthält der IFS Broker (Quelle: Teil 2, Liste der Auditanforderungen) eine umfangreiche Liste von Kontrollpunkten für die Bereiche:
1. Unternehmensverantwortung
2. Qualitäts- und Produktsicherheitsmanagementsystem
3. Ressourcenmanagement
4. Planungs- und Dienstleistungsprozess
Ein zentraler Bestandteil sind die Anforderungen für den Planungs- und Dienstleistungsprozess. Dort heißt es z.B. zur Vertragsprüfung: Die zwischen den Vertragspartnern definierten Anforderungen sind festgelegt, überprüft und hinsichtlich ihrer Akzeptanz vereinbart, bevor eine Liefervereinbarung geschlossen wird. Alle Bestimmungen bezüglich Produktqualität und -sicherheit sind an die relevanten Mitarbeiter, Lieferanten und/oder Dienstleister kommuniziert und werden von ihnen verstanden.
Das IFS Broker-Audit gilt für juristische Personen und Unternehmen, unabhängig ob sie Besitzer oder Eigentümer der Produkte sind. Ein Abgrenzungskriterien zu anderen Standards ist, dass die Broker keinen typischen physischen Besitz der Ware übernehmen, z. B. durch Lagerhallen, Packstationen oder Transportfahrzeuge. Hierbei sind jedoch Kombinationsaudits mit anderen IFS Standards möglich. Alternativ stehen für Händler mit eigener Logistik auch der IFS Cash&Carry- oder der IFS Wholesale-Standard zur Verfügung.
Aufgrund der weitreichenden Handelsstrukturen im Lebensmittelsektor wird die Hebelwirkung und Verantwortung deutlich, die Importeure, Handelsagenturen und Händler auf die Qualität und Sicherheit von Lebensmitteln haben. Daher stellt der Standard IFS Broker die Bewertung, wie Händler ihre Lieferanten und Dienstleister für die vom Kunden geforderten Produkte auswählen und lenken, in den Mittelpunkt.
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